Tim Raue ist einer der bekanntesten deutschen Starköche und betreibt mehrere Restaurants in Berlin.
Im Interview spricht er über Genussmomente und erzählt, was Trüffel und Butterbrot miteinander gemein haben.
Würden Sie sich selbst als Gourmet bezeichnen?
Selbstverständlich. Essen und Trinken sind mein Leben.
Seit wann ist das so?
Vor knapp 20 Jahren habe ich begonnen, intensiv und hauptsächlich wegen des Essens zu reisen. Damals war ich 21 und habe begriffen, was Essen und Trinken für mich bedeutet. Während der Ausbildung wurde mir erst klar, dass Koch für mich mehr als nur ein Beruf ist. Kochen ist für mich tatsächlich Leidenschaft und Passion.
Menschen sollten sich mehr Zeit für die großen und kleinen Genussmomente des Lebens nehmen.
Was sind für Sie besondere Gaumenfreuden, und wann gönnen Sie sich diese?
Ich esse grundsätzlich mit Wonne und Freude. Für mich ist das schönste und höchste der Gefühle, wenn alles stimmig ist. Das kann ein perfekter Flammkuchen, aber auch ein knuspriger Schweinebraten sein. Ich bin süchtig nach kantonesischer Küche, würde aber auch keinen thailändischen Som-Tam-Salat stehen lassen.
Ich finde es auch fantastisch, Gerichte aus der Sterneküche zu essen, kann mich aber genauso auch für einen großen Topf mit Spinat und Kartoffelpüree begeistern. Ein Butterbrot zu schmieren macht mir genauso viel Freude wie Trüffel zu hobeln.
In so vielen Dingen kulinarische Gaumenfreuden zu entdecken, ist sehr besonders. Die meisten Menschen kochen einfach nur, um zu essen. Der Genuss bleibt oft auf der Strecke.
Das ist sehr schade. Menschen sollten sich mehr Zeit für die großen und kleinen Genussmomente des Lebens nehmen.
Wir sprachen bisher nur vom Essen. Wie steht es bei Ihnen mit Weinen?
Dafür interessiere ich mich sehr. Leider vertrage ich nicht besonders viel davon und konsumiere dementsprechend nicht viel davon. Aber der Moment, einen großartigen Wein zu trinken, hat für mich etwas sehr Besinnliches, ja beinahe Meditatives.
Was macht für Sie einen guten Wein aus?
Ein guter Wein unterscheidet sich darin, ob er gemacht ist. Also ob ein Wein der Idee eines Winzers obliegt oder ob er natürlich gewachsen ist und seit Jahrzehnten großartige Qualität abliefert.
Bitte gehen Sie näher darauf ein.
Ich mag nichts, was jung und trendy ist – weder auf meinem Teller noch in meinem Glas. Ich mag Dinge, die Größe und Seele haben, bei denen man schmecken kann, dass ein Gedanke und eine Philosophie dahinterstecken.
Können Sie Genuss definieren?
Genuss bedeutet, sich Zeit zu nehmen. Das kann auch heißen, mit meinem Hund spazieren zu gehen oder mit meiner Frau ausgiebig zu frühstücken – schnell, schnell funktioniert da nicht. Und glücklich macht es auch nicht. Natürlich ist zu genießen in unseren Zeiten oft sehr schwierig. Alles wird immer schneller, und der Druck steigt stetig. Ich bezweifle aber, dass dies langfristig funktionieren kann.
Wie schaffen Sie es, diese besonderen Genussmomente in Ihrem Leben zu wahren?
Ich mache diese ganze Stresspolitik einfach nicht mit. Ich teile mir den Tag so ein, dass es Zeiten gibt, in denen ich Vollgas geben muss, und andere, in denen ich einfach nur genieße und mir die Zeit für die Menschen und die Dinge nehme, die mir wirklich wichtig sind. Das kann ich jedem nur empfehlen!