Sophia Hoffmann ist Köchin, Autorin und Food-Aktivistin. Im Interview erzählt sie, warum sie sich aktiv für den bewussten Umgang mit Lebensmitteln einsetzt.
Vegane Ernährung liegt im Trend. Gab es bei Dir den einen Moment, als Du Dich dafür entschieden hast?
Ich wehre mich immer dagegen Veganismus als Trend zu bezeichnen, Trends gehen schnell wieder vorbei. Veganismus ist eine Reaktion auf den Status Quo der Lebensmittel- und besonders der Tierindustrie. Genauso wie bei der Fair Fashion Bewegung im Modebereich gibt es einfach Leute, die genauer hinschauen und sich für einen bewussteren Konsum entscheiden. Dabei geht es überhaupt nicht darum, dass jetzt alle sofort vegan werden müssen, aber eine Reduktion tierischer Produkte sollten wir alle anstreben. Nicht nur wegen des Tierleids, sondern weil in diesem System auch Menschen ausgebeutet werden, die Umwelt zerstört wird und Klimaschäden entstehen.
Für mich gab es viele Momente, einer war als ich 2010 das erste Mal vom Zusammenhang zwischen CO2-Ausstoß und Rinderzucht hörte. Oder als ich mir eingestand, dass ich Kuhmilch schon jahrelang schlecht vertragen hatte und statt laktosefreier Milch auf pflanzliche Alternativen umstieg. Oder als ich das erste Mal ein Babyschwein im Arm hielt und beschloss keinen Unterschied mehr zu machen zwischen Tieren, die ich streichle und die ich esse.
Was hat sich seit dem für Dich verändert? Körperlich oder im Lebensstil
Ich bin insgesamt viel gesünder. Mein Immunsystem ist stärker. Ich bin leistungsfähiger. Ich habe fast nie irgendwelche Verdauungsprobleme und schaffe es sogar meine PMS mit der richtigen Ernährung zu lindern. Allerdings muss man hier ergänzen, dass vegan nicht gleich gesund bedeutet. Ich ernähre mich ausgewogen pflanzlich und ohne viele Fertigprodukte: Viel Gemüse, Obst, fermentierte Lebensmitteln, Hülsenfrüchte, Getreide, Vollkornprodukte, Nüsse, Tofu, Seitan. So bekomme ich alle Nährstoffe, die mein Körper braucht. Was den Lebensstil anbelangt bin ich – vor allem auch durch meine Arbeit – emphatischer geworden: Ich auch mehr darauf wo, wie und von wem das erzeugt wird, was ich konsumiere. Und ich konsumiere bewusster. Lieber Bio und saisonal und alles verwerten als Pestizide im Essen.
Wir sparen in keinem Bereich so gerne wie bei hochwertigen Lebensmitteln, gleichzeitig geben wir Unmengen für Klamotten, Reisen und Unterhaltungselektronik aus, dabei sollten wir nie vergessen: Du bist, was du isst! Gute Lebensmittel sind selfcare!
Baust Du Obst und Gemüse selbst an?
Seit letztem Sommer habe ich die große Freude zusammen mit Freunden einen Ackerteil vor den Toren Berlins zu bewirtschaften bzw. zu ernten. Obwohl ich schon davor Bio und so lokal wie möglich auf dem Markt eingekauft habe, hat das meine Verbindung zu Essen noch mal gestärkt. Es macht irre Spaß sich die Hände auf dem Feld schmutzig zu machen, wenn ihr in eurer Umgebung die Möglichkeit habt, nutzt sie, erwachsen oder mit Kindern – für alle eine unglaubliche Bereicherung!
Hast Du ein Rezept für ein pflanzliches Gericht für den schnellen Hunger zwischendurch?
Einen guten Bio-Apfel. Und eine Handvoll Nüsse. Ein Brot mit Nussmus und Marmelade. Wenn es etwas Gekochtes sein soll – eines meiner einfachsten Rezepte: Die schnelle und beste Linsensuppe der Welt: Rote oder gelbe Linsen 10 Minuten weich kochen, Blattspinat, einen Schuss Kokosmilch (und etwas Wasser) dazu, mit Kreuzkümmel, Salz und Pfeffer abschmecken.
Guten Appetit!
Hartnäckig hält sich das Gerücht für Sojaprodukte würde der Regenwald abgeholzt und zuviel Tofu sei ungesund, was ist dran?
Oft wird behauptet Konsumenten von Tofu und Sojamilch wären für die Abholzung des Regenwaldes verantwortlich. Zwar werden Regenwälder für Sojaanbau gefällt, allerdings geht dieser überwiegend als Futtermittel in die Intensivtierhaltung. Keiner der gängigen Soja-Produkt-Produzenten im deutschsprachigen Raum bezieht seine Bohnen aus diesen Gebieten. Im Gegenteil, viele Erzeuger versuchen aktiv den regionalen Anbau auszubauen. Weder erhöht Sojakonsum das Brustkrebsrisiko noch verweiblichen Männer dadurch. Negative Auswirkungen auf die Gesundheit sind laut aktueller Studien nicht nachweisbar und somit sind Sojaprodukte für alle Menschen unbedenklich, die nicht an einer Soja-Allergie leiden.
Viele Menschen sagen: Auf Fleisch kann ich verzichten, aber Käse – das fällt mir wirklich schwer – warum glaubst du ist das so?
Käse macht im wahrsten Sinne des Wortes süchtig: Er enthält den Stoff Casein, der in Käse 10Mal höher konzentriert ist als in der Milch. Casein wird bei der Verdauung zu Casomorphin aufgespalten, das im Gehirn an den selben Rezeptoren andockt wie Heroin. Was der Natur dazu dient Kälbchen zum Muttermilch trinken zu bewegen, steigert unseren Käsehunger ins Unermessliche. Gepaart mit hohem Fett- und Salzgehalt wirkt er somit unwiderstehlich. Wir sind auch einfach nicht an Casein gewöhnt, zum Vergleich: Menschliche Muttermilch enthält 2,7g pro Liter, Kuhmilch 26 g pro Liter.
Viele Menschen essen glutenfrei oder meiden Brot, weil sie das Gefühl haben „es wäre nicht so gut für sie“ – was ist dran?
Hier gilt es zwischen Zöliakie, Allergie und leichteren Unverträglichkeiten zu unterscheiden. Menschen mit Zöliakie müssen vermeiden jegliches Gluten aufzunehmen, das sich nicht nur in Getreiden, sondern auch in Produkten wie Bier, Nudeln und Sojasoße finden kann. Menschen mit Unverträglichkeiten und Allergien müssen nur auf bestimmte Getreide verzichten. Das was viele Menschen als Weizenunverträglichkeit einstufen, ist oft nur eine sensibilisierte Reaktion auf konventionellen Weizen. Moderne Weizensorten haben im Vergleich zu vor 50 Jahren einen 10fach höheren Gluten-Anteil. Sauerteigbrot und Nudeln aus alten bzw. Bio-Getreidesorten ist oft wesentlich bekömmlicher. Für Menschen, die sich ausgewogen ernähren, weder an Zöliakie oder Allergien leiden gibt es keinen Grund kein Brot zu essen.
Müssen es immer Chiasamen und Co. sein? Welche lokalen Produkte sollten öfters auf unseren Tellern landen?
Kartoffeln haben einen dreimal so hohen Vitamin C Gehalt wie Eisbergsalat und in manchen Regionen werden sie auch die „Zitrone des Nordens“ genannt.
Wunderbar sind auch Vollkornprodukte: Gekeimte Weizenkörner mit Obst und einem Klecks (pflanzlichem) Joghurt enthalten alles, was wir für eine ausgewogene Ernährung benötigen.
Aber auch Vollkornbrot, gekochte Getreidesorten wie Gerste, Hirse, Hafer sollten wir viel stärker in unsere Ernährung integrieren. Und natürlich Hülsenfrüchte, die ein fantastischer Eiweiß-Lieferant sind. Das empfehlen übrigens auch weltweit alle Ernährungsorganisationen. Vor 150 Jahren wurden in Deutschland pro Kopf über 20 kg Hülsenfrüchte pro Jahr verzehrt, heute sind es nur noch 0,7 g.
FUN FACTS AUS DEM NEUEN BUCH „ZERO WASTE“ VON SOPHIA HOFFMANN
1. Blumenkohl und Romanesco sind Geschwister, der Brokkoli ist ein naher Verwandter.
Blumenkohl heißt so, da die Röschen, die wir verzehren, die nicht ausgereiften Blütenstände der Pflanze sind. Besonders bei langstieligem Brokkoli kommen einem manchmal Exemplare mit geöffneten Blüten unter.
2. Die Erbse gehört zu den wichtigsten Kulturpflanzen der Welt.
Erste Funde stammen aus dem heutigen Syrien und werden auf über 10.000 Jahre v. Chr. datiert. In Böhmen war es Brauch, am Heiligen Abend in die Ecken der Stuben kreuzweise Erbsenmus zu streuen, wohl ein Relikt aus der Verehrung der Totengeister, später sagte man „für die Mäuse“. Auch Brautpaare wurden mit Erbsen beworfen.
3. Weltweit gibt es Verwertungsrezepte für altbackenes Brot – die lustigsten Namen:
Poor Knights of Windsor = Die armen Ritter von Windsor/ Großbritannien
Brot in Pelz (herzhaft)/ Ungarn
Pain Perdu = verlorenes Brot / Frankreich
Versoffene Jungfer (mit Rotwein/ Most)/ Süddeutschland
Blinder Fisch (herzhaft)/ Deutschland
4. Wer das Gefühl hat Gurken nicht gut zu vertragen, sollte es mal statt in Scheiben mal fein geraspelt probieren, so sind sie meist besser verträglich.
Das Buch “Zero Waste Küche” von Sophia Hoffmann erhalten Sie hier.
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