Aus zweidimensionalem „Von-links-nach-rechts-Laufen“ wurde die Mutter der meisten modernen Computerspielgenres – und eine kulturprägende Milliardenindustrie.
Eine individualisierte Hauptfigur bewegt sich durch eine dreidimensionale Welt und wird mit den verschiedensten Herausforderungen konfrontiert – es gilt, Rätsel zu lösen, Kämpfe zu bestehen, Karrieren zu organisieren. Kommt Ihnen bekannt vor? Kein Wunder: Das Leben ist ein virtuelles Action-Adventure-Game.
Die erfolgreichsten Spiele des Genres, wie die „Grand Theft Auto“- oder die „Assassin’s Creed“-Serie, stehen heute im Zentrum globaler Franchises. Die Entwicklung neuer Episoden dauert Jahre, verschlingt dreistellige Millionenbeträge – und generiert Milliardengewinne. „GTA V“, 2013 veröffentlicht, mit geschätzten Kosten für Entwicklung und Marketing von 265 Millionen US-Dollar das teuerste Spiel aller Zeiten – teurer als „Avatar“ oder „Harry Potter“ –, setzte allein am ersten Tag über eine Milliarde US-Dollar um. Je nachdem, wie man die Rechnung aufstellt, ist die Gaming-Industrie drauf und dran, die internationale Filmindustrie in Sachen Umsatz zu überholen. Das hätte sich 1996, als der erste Teil der seitdem ebenfalls sehr erfolgreichen „Tomb Raider“-Serie – für Sega Saturn und die erste Sony Playstation (!) – erschien, wohl niemand träumen lassen.
Vom verpixelten „Nerd-Hobby“ zur Mainstream-Macht – was ist passiert?
Dieser Erfolg ist sicherlich zu einem großen Teil schlicht und einfach dem technologischen Fortschritt zu verdanken. Die Möglichkeiten und Kapazitäten hinsichtlich Grafik und Gameplay, Engine, Arbeitsspeicher und Prozessorleistung sind seit dem ersten „Tomb Raider“-Spiel exponentiell gewachsen: Kam die erste Playstation noch mit einer Taktfrequenz von 33 Megahertz aus, läuft der Hauptprozessor der Playstation 4 mit 1,6 Gigahertz.
Das Ausmaß dieser Verbesserungen lässt sich vielleicht am besten anhand eines bekannten Bildes verdeutlichen, das oft – und zu Recht – bemüht wird, wenn wir versuchen, die technologischen (R)Evolutionen unserer Zeit einzuordnen: Es ist das Bild vom Bordcomputer der Apollo-Mission von 1969, der mit einem Arbeitsspeicher von etwa vier Kilobyte und einer Taktrate von 100 Kilohertz die Mondlandung ermöglichte. Heute ist der durchschnittlichste Chip im einfachsten Handy mindestens 10.000-mal schneller.
Spektakulärer als die leistungsfähigste Technik ist das Spielerlebnis
Das Faszinierendste am Siegeszug der Spielekonsolen allgemein und dem Action-Adventure-Genre insbesondere ist aber nicht die spektakulär leistungsfähige Hardware, sondern es sind die Spiele selbst. Die Konzepte, die Ideen, die kreative Umsetzung, kurz: das sagenhafte Spielerlebnis. Wer spaßeshalber mal an sehr, sehr alte Spiele denkt, wie zum Beispiel das chinesische Go, das schon um 4000 vor Christus Erwähnung findet, kann im Kontext einer „Kulturgeschichte des Spiels“ einen großen Bogen erkennen: vom abstrakten Spielen mit Linien und Steinchen hin zum umfassenden Erleben einer hyperrealistischen Spielwelt. Im Genre der Action-Adventure-Games findet diese Evolution ihren bisherigen Höhepunkt.