Stellen Sie sich für einen kurzen Moment einmal vor, wie unser Leben ohne Restaurants, Wirtshäuser, Bistros, Cafés, Kantinen, Pizzerien, Imbissständen oder Eisdielen aussähe?
Ingrid Hartges
Hauptgeschäftsführerin des DEHOGA Bundesverbandes
Wie arm wäre unser Land! Unsere gastronomischen Betriebe stehen für Lebensqualität, Vielfalt, Tradition, Kulinarik und Gastfreundschaft. Fest verwurzelt in der Heimat sind unsere Betriebe die öffentlichen Wohnzimmer und für das Funktionieren der Gesellschaft unentbehrlich. Hier trifft man sich mit Freunden und Familie, tauscht sich aus und genießt die gemeinsame Zeit bei köstlichem Essen und guten Getränken.
Unsere Betriebe sind Plätze der Kommunikation und der Begegnung für Jung und Alt, für Einheimische wie Reisende aus der ganzen Welt. Gastronomie macht das Abschalten vom Alltag einfach, weckt Sehnsüchte, erfüllt Wünsche und liefert sinnliche Erlebnisse in einer immer virtueller werdenden Welt.
Gastronomie ist Entertainment, will inszeniert werden, das Restaurant ist die Bühne. Dabei soll es nicht steif zugehen. Die Gastronomie greift Trends auf und setzt Trends. Die neue Liebe zur Bodenständigkeit und Natürlichkeit spiegelt sich auch in den Konzepten der Gastronomie wider.
Gefragt ist heute mehr denn je eine entspannte Wohlfühlatmosphäre – ob gemütlicher Landgasthof, angesagte Bar oder hochdekoriertes Sternerestaurant. Unsere Gäste schätzen die Liebe zum Detail, die persönliche Handschrift des Unternehmers, eine wertige Einrichtung.
Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt die herzliche Zuwendung zum Gast. Erst das richtige Zusammenspiel von Ambiente und Ausstattung, von Service und Angebot macht gute Gastronomie aus.
Mit großer Freude registrieren wir, dass sich immer mehr Menschen fürs Genießen und Kochen begeistern. Dabei liegen frisch zubereitete, saisonale und regionale Spezialitäten im Trend. Die Gäste sind informierter als je zuvor, fordern Qualität, sind im konstruktiven Sinn wählerisch: Woher stammt das Fleisch? Ist der Fisch fangfrisch? Kommen Gemüse und Kräuter aus der Region?
Die Gäste staunen beim Frontcooking, schauen den Köchen im Restaurant in die brodelnden Töpfe. Klein und Groß haben immer mehr Lust aufs Selbermachen, auf HANDwerk. Kochkurse und Küchenpartys haben Konjunktur.
Ob Frankreich, Spanien oder Italien – Essen und Trinken prägen Alltag und Festtag in allen Kulturen. Dort erfährt kulinarisches Wirken immer noch eine höhere Wertschätzung als bei uns. Auch politisch. Die Gastronomie genießt dort den reduzierten Mehrwertsteuersatz und wird nicht gegenüber den Mitbewerbern benachteiligt.
Mit Blick auf die kulturelle wie wirtschaftliche Bedeutung und die Zukunftsfähigkeit der Gastronomie ist die steuerliche Gleichbehandlung von Speisen auch für unsere unglaublich arbeitsintensive Branche längst überfällig.
Wie schön wäre es, wenn auch in Deutschland für die frisch zubereitete Kürbiscremesuppe statt 19 Prozent sieben Prozent Mehrwertsteuer gelten würden – so wie für die Tütensuppe aus dem Discounter. Das wäre ein wirksamer Beitrag für mehr Fairness, Vielfalt und Genuss in Deutschland.