Mit der Digitalisierung sind viele neue technologische Möglichkeiten ins Haus gekommen. Es gibt einen regelrechten Smart-Hype gepaart mit einer Digitalisierungsromantik. Angesichts dieses Enthusiasmus bleibt oft die Frage auf der Strecke, wie viel Technik wir tatsächlich benötigen.
Dr. Christine Lemaitre
Geschäftsführender Vorstand Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.
Geht es bei dem Technikeinsatz um konkreten Nutzen und einen echten Beitrag zum eigenen Wohlbefinden? Oder um Spielereien für noch mehr Bequemlichkeit? Zwar muss jeder für sich selbst entscheiden, was ihm oder ihr wichtig ist. Sich selbst aber hin und wieder nach der Sinnhaftigkeit von neuen Technologien zu fragen und diese mit Blick auf das eigene Wohlbefinden zu bewerten, ist sicherlich nicht verkehrt.
Das gilt gerade, wenn wir das Ganze in den Kontext des nachhaltigen Bauens und Wohnens setzen. Klar ist: Smart und digital ist nicht automatisch auch nachhaltig und macht damit die Gebäude nicht automatisch besser. Hier braucht es eine differenziertere Betrachtungsweise, geht es bei der Idee der Nachhaltigkeit doch um ein sinnvolles, ganzheitliches Zusammenspiel von ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Aspekten.
Es gibt zahlreiche Technologien, die zur Energie- und Kosteneinsparung führen können. Andererseits können diese durch eine hohe Wartungsintensität oder Fehleranfälligkeit zum finanziellen Bumerang werden. Aus diesem Grund setzt sich die DGNB in ihrem Zertifizierungssystem dafür ein, die Verwendung von passiven Lösungen zu prüfen, bevor umfassend Technik im Gebäude verbaut wird.
Mit Blick auf den Klimaschutz muss man sich die Frage gefallen lassen, welches Komfortniveau in unseren Gebäuden das richtige ist. Getrieben von globalen Standards verschiebt sich die Toleranzgrenze unseres individuellen Wohlbefindens in einen engen, jahreszeitenunabhängigen Korridor, der nur durch viel Energie und Technik realisierbar ist. Hier müssen wir zurück zu einer Angemessenheit finden, die letztendlich auch für unser Wohlbefinden gut und richtig ist.
Unbestritten sind die wichtigen Beiträge, die smarte Technologien leisten können, etwa was ein selbstbestimmtes Wohnen im hohen Alter angeht. Auch beim Monitoring und der intelligenten Steuerung von Wärme und Energie sind neue digitale Möglichkeiten hilfreich und wichtig. Allein muss es noch bedienbar und nachvollziehbar für den Nutzer bleiben. Damit „smart“ nicht nur Trend und Verkaufsargument bleibt.